Fast sechs Monate sind seit meinem letzten Beitrag vergangen und ich werde das Gefühl nicht los, dass das Leben schneller an mir und meinem nicht vorhandenen Auto vorbeizieht als dies eine Limousine der Oberklasse auf der linken Spur zustande bekommt. Vielleicht ist es ja ganz gut, dass das neue iPhone fast genauso aussieht wie seine Vorgänger. Schließlich wird insgeheim ständig von uns erwartet, dass wir uns neu erfinden und besser sind als im Jahr zuvor. Aber wenn nicht einmal Apple das schafft, darf man vielleicht auch selbst einmal den Fuß vom Gas nehmen und die Landschaft genießen.

Anfang diesen Jahres wurde ich von Sony darüber informiert, dass ich mit einem meiner Fotos bei den Sony World Photography Awards 2016 als Commended photographer ausgewählt wurde und jenes Bild nun Teil der Ausstellung im Somerset House in London sein würde. Für einen richtigen Preis hat es leider nicht gereicht, da ich es nicht unter die ersten 10 geschafft habe. Es scheint als müsste ich weiterhin für die Sony A7R II sparen. Ob es diese Kamera überhaupt noch geben wird, wenn ich endlich das Geld dafür zusammen habe, sei dahingestellt. Bei diesem Thema bin ich jedoch genauso wankelmütig wie die meisten Fußballspieler bei der Wahl ihres Vereins. Sollte mir Leica ein gutes Angebot machen, unterschreibe ich einfach dort. Doch solange Barcelona keine Spieler aus der unteren Kreisliga verpflichtet, stehen meine Chancen mit einer gesponserten Kamera umherzuziehen ungefähr so gut wie ein 4-jähriger auf einer Slackline.

Apropos Wankelmütigkeit. Als im März diesen Jahres der letzte Schnee von den Dächern verschwand und die ersten Vögel wieder meinen Schlaf am Samstagmorgen störten, beschloss ich bei Sigma anzufragen, ob Sie nicht Interesse hätten mir das Sigma 50mm f/1.4 DG HSM Art für einen Test zur Verfügung zu stellen. Wenig später erreichte mich dann ein Paket aus Fernost (Berlin) und ich durfte ein neues Spielzeug ausprobieren sowie vier Artikel für den Sigma-Blog verfassen. Mittlerweile weiß ich schon gar nicht mehr, worüber ich im Juni eigentlich geschrieben habe – aber da die Zielgruppe vom Pokemon-Go-Spielen abgelenkt war, ist dies zum Glück nicht so wichtig. Wer mittlerweile jedoch Zapdos, Lavados und Artkos eingefangen und wieder Zeit zum Lesen hat, kann gerne die folgenden Links besuchen:

Artikel 1: http://blog.sigma-foto.de/2016/06/aufzehengehen-jonas-hafner-und-die-portraitfotografie/
Artikel 2: http://blog.sigma-foto.de/2016/06/das-gesicht-vor-der-kamera-models-suchen-und-finden/
Artikel 3: http://blog.sigma-foto.de/2016/06/portraitfotografie-den-eigenen-weg-finden/
Artikel 4: http://blog.sigma-foto.de/2016/06/portraitfotografie-an-sich-selber-zweifeln-und-doch-nicht-aufgeben/

Trotz fehlendem Auto habe ich dieses Jahr noch keine Schuhe gefunden, die groß genug für meinen ökologischen Fuß(Abdruck) gewesen wären. So bereiste ich Südfrankreich, das Baskenland in Nordspanien, Dänemark, Irland, Schottland, Santorini und eine kleine Inselgruppe mitten im Atlantik. Hier auf den Faröinseln verbrachte ich wie fast jedes Jahr eine Woche zusammen mit befreundeten Fotografen. Normen Gadiel hat über diese Zeit ein kleines Video gedreht, aber seht am besten selbst:

Faroewell from Normen Gadiel on Vimeo.

Auch einige deutsche Städte standen 2016 auf meiner Liste und so besuchte ich unter anderem Düsseldorf, Heidelberg, Frankfurt und Köln. In den beiden zuletzt genannten nahm ich an großen Instagram-Treffen teil. Insbesondere das Treffen in Frankfurt war wirklich toll organisiert. Wir bekamen sogar ein Hotelzimmer für das Wochenende gestellt und durften uns endlich einmal wie berühmte Fashion-Blogger oder Youtuber fühlen. Bibi bin ich trotzdem nicht über den Weg gelaufen, zumindest glaube ich das. 16-Jährige sehen für mich nämlich irgendwie alle gleich aus. Zurück zum Thema: Mit meiner Gruppe ging es zum Felsenmeer in den Odenwald, wo ich vor vielen vielen Jahren schon einmal mit meiner Kamera unterwegs war. Leider fehlte uns allen die IP68-Zertifizierung, aber wir versuchten trotz des Regens das Beste aus dem Tag zu machen. Als Hamburger ist Regen ja bekanntlich meine zweite Haut und wer nicht gerade weiße Sneaker trug, überstand den Tag auch unbeschadet. Aber wer trägt schon weiße Sneaker?

Da meine Kamera (Nikon D800) während meines Aufenthalts auf den “Schafinseln” Probleme mit dem Autofokus hatte, schickte ich meine beiden Nikon-Objektive und das Kameragehäuse direkt nach meiner Rückkehr zur Inspektion. Als mich der Kostenvoranschlag von fast 550 Euro erreichte, freundete ich mich erst zuerst einmal mit dem Gedanken an, meine Ernährung fortan komplett auf Zwieback umzustellen. Nach einigem Hin und Her überwies ich dann schweren Herzens den Betrag bei Paypal. Durch die Neujustage funktionierte im Anschluss mein Sigma-Objektiv leider nicht mehr korrekt – sozusagen vom Regen in die Traufe. Ob dieses nun mit dem Dock, welches ich mir zusammen mit ein paar Freunden gekauft habe, richtig eingestellt ist, bleibt fraglich. Jetzt kann ich nur hoffen, dass ich meine Ausrüstung bis zum nächsten Jahr durch den Foto-TÜV gebracht habe und mich nicht in Kürze ein Totalschaden erwartet. Falls doch, könnte ich natürlich einen Kickstarter oder einen Spendenaufruf ins Leben rufen, während ich die Wartezeit mit Golfspielen verkürze. Da mich jedoch neulich eine Patientin fragte, ob ich überhaupt schon ein Arzt sei, stehen meine Chancen den Mitgliedsausweis des Golfclubs zu erhalten eher schlecht. Aus dem Traum mit lauter Musik im Golfkart die grünen Hügel auf und ab zu fahren wird also sobald nichts werden.

2016 ist auch das Jahr der Photokina, auf der ich selbst noch nie gewesen bin. Vielleicht ist das gar nicht so schlecht, da ich als Amateurfotograf für den ganzen Technick-Schnick-Schnack sowieso viel zu leichte Beute bin. Und solange Siri meiner Aufforderung “Liefere mir eine neue Bildidee” nicht nachkommt und mir stattdessen den Wetterbericht anzeigt, warte ich lieber noch ein bisschen ab. Trotzdem hat meine kleine Kamerafamilie sein kurzem Nachwuchs bekommen, da ich mir eine Ricoh Gr II gekauft habe. Der ursprüngliche Idee war, dass ich nicht mehr überall hin meine schwere Spiegelreflexkamera mitnehmen muss. Irgendwie ist mein Plan aber nicht ganz aufgegangen, da ich nun meistens beide Kameras um den Hals hängen habe – jetzt fehlt nur noch eine dritte Kamera mit einem Teleobjektiv und eine Eintrittskarte für den Zoo… oder am besten gleich ein eigenes Gehege. Falls jemand Interesse an einem kleinen Testbericht über diese Kamera hat, kann er mich das gerne wissen lassen. Insbesondere wer auch mit der FujiFilm X70s liebäugelt, sollte sich auch diese Kamera einmal genauer anschauen.

Manchmal frage ich mich, warum ich eigentlich das Coldplay-Syndrom habe und ständig etwas Neues ausprobieren will… obwohl das erste Album doch am besten klang. In der heutigen Welt fährt man eigentlich wesentlich besser, wenn man sich in seiner kleinen ökologischen Nische ausbreitet und lieber das macht, was man gut kann. Vielleicht fehlt mir einfach die Flexibilität den gleichen Weg wie damals zu beschreiten. Schließlich kann ich während eines Notfalls im Krankenhaus nicht einfach meine Kameratasche packen und sagen, dass ich das Wetter jetzt einfach ausnutzen muss.  Aber ich werde meine Kamera trotzdem nicht aus der Hand geben und früher oder später wieder einen Platz finden. Solange sitze ich als Pinguin am Strand und versuche das Beste daraus zu machen, mit Kopfhörern im Ohr und auf Spotify läuft das Album Parachutes von Coldplay. Und ja, Pinguine haben Ohren.

Natürlich ist jedes Jahr ein Auf und Ab. Nicht alles was man anfasst, gelingt auf Anhieb oder überhaupt. Und trotz der ganzen Selbstoptimierung fehlen mir für viele Dinge schlicht und ergreifend die Zeit. Viele meiner Freunde habe ich dieses Jahr kaum gesehen und selbst meine Gitarre und meine Cajon haben Staub angesetzt. Und ja, es ist ein bisschen schade, dass ich dieses Jahr so wenige Portraits gemacht habe. Auch mein Grafiktablett fristet weiter sein trauriges Dasein in meiner Schublade und was ist nur mit den ganzen vielen Vorsätzen passiert, mich endlich einmal mit Photoshop auseinander zu setzen? Doch solange mein Leben keinen Slow-motion-Modus hat, werde auch ich nur die Hälfte der Dinge hinbekommen, die ich mir vorgenommen habe. Mein Kopf ist trotzdem voller Ideen für die Zukunft und ich bin gespannt, was noch passieren wird. Am Ende zählen schließlich auch die kleinen Schritte, die man geht. Hauptsache man bleibt in Bewegung, ganz egal ob es nun ganz steil nach oben geht oder bergab.