Bevor ich hier in Zukunft mein Blog-Portfolio zielgruppenorientiert um Tutorials zu interessanten fotografischen Themen erweitere, begrüße ich heute erst einmal einen weißgrauen Shepsky auf meiner Interview-Couch. Seine Besitzerin sollte auch jeden Moment bei uns sein. Wer nun hofft, sich jetzt von einem Podcast berieseln lassen zu können, wird gleich ähnlich enttäuscht sein wie die Hamburger Abiturienten über ihre diesjährige Mathematik-Prüfung. Vielleicht hätte anstelle des Bildungsministeriums lieber Shirin David die Fragen erstellen sollen (“Dein Zehntausend-Euro-Scheck reicht für eine Nacht. Wie viel Geld müsstest du ihm Lotto gewinnen, um ein ganzes Jahr mit der Mother-Ho zu verbringen?”).
Dabei führte nicht nur das vermeintlich schwierige Mathematik-Abitur in den letzten Wochen zu vielen Tränen, sondern auch die Bekanntgabe der Lochis, ihren Youtube-Kanal in Kürze einstellen zu wollen. Mal schauen, wie viele Unterschriften am Ende unter der Petition für ihren Rücktritt vom Rücktritt stehen werden.
Nun habe ich mit diesem Epilog erneut die Aufnahmefähigkeit des Durchschnittslesers von 280 Twitter-Zeichen überschritten und diesen Beitrag quasi im Vorbeigehen zum Scheitern verurteilt. Dabei hat die wunderbare Carolina gerade den Raum betreten…


Canon 5D Mark III – Sigma 35 mm 1,4  | @foxografie

Carmen und Ingo wollen noch einmal heiraten. Dieses Mal soll aber alles ganz anders sein. Kein kitschiger Sonnenuntergang, keine Eistorte, keine Blumenmädchen und keine scheppernden Blechdosen an teuren Oldtimern. Nein, es soll die schrecklichste Hochzeit werden, die die Welt je gesehen hat.
Als Wedding-Planer und Fotografin haben sie dich engagiert. Du darfst jede Menge unpassende Gäste aus der Fotoszene einladen, die worst-case-location festlegen, den Monat aussuchen, die Outfits, und auch alles andere bestimmen. Was würde uns auf dieser Hochzeit erwarten?

Nachdem Carmen und Ingo einen Schlüsselmoment mit einer Taube hatten (auf den an dieser Stelle nicht weiter eingegangen wird), haben beide dieses anmutige Tier zu ihrem Talisman und zum Motto für ihre zweite Hochzeit im August auserkoren. Tauben und rote Herzluftballons – so der romantische Leitfaden für diesen Tag. In der Gaststätte, in der auch schon Ingos Großtante dritten Grades ihre Knoblauchhochzeit (gibt es tatsächlich) gefeiert hatten, soll die große Party steigen. Die braunen Fliesen, ausgestopften Tiere an den Wänden und die über lange Jahre gesammelten Bierkrüge sorgen für ein warmes Ambiente. Blumen wollen die beiden bewusst weglassen, sie haben sich daran einfach satt gesehen. Stattdessen stehen kleine Plastiktauben auf den Tischen und an jedem Stuhl hängt ein wunderschöner roter Herzluftballon.
Ingos Anzug ist nicht mehr ganz neu (er kaufte ihn sich anlässlich besagter Knoblauchhochzeit), seitdem hat er zwar etwas zugenommen und er will nicht mehr so ganz passen, aber an so einer Feier tanzt man ja ohnehin viel. Carmen hat sich bei schon lange bei Pinterest abgemeldet und holt ihre Inspiration aus “zwischen Tränen und Tüll”. Und so war auch das Motto für das Kleid.
Der Tag hält wundervolle Überraschungen für Paar und Gäste bereit: Neben einer Tauben-Flugshow (bei der eine Taube der anderen einen Liebesbrief überreichen wird) ist auch sonst einiges geboten – von Luftballons steigen lassen, einem Hochzeitsanimateur (mit allerlei Spielen im Programm) und einer emotionalen 1,5-stündigen Brautvaterrede bleiben keine Wünsche offen. Handys sind an diesem Tag nicht in der Tasche zu lassen, sondern im Gegenteil: Es soll eine richtige Social Media Party mit vielen Verlinkungen werden und daher wird jeder der Gäste explizit dazu aufgefordert, die eigene Kreativität mal so richtig auszuleben und tolle Momente zu sammeln.
Die Gästeliste wird allerdings leider bis zum Schluss geheim gehalten.

Canon 5D Mark III – Sigma 35 mm 1,4  | @foxografie

Als Canon Deutschland am Ende die Bilder und das Medienecho sieht, verbieten Sie dir in Zukunft ihr Equipment zu verwenden. Per richterlicher Anordnung  erhältst du glücklicherweise eine Ausgleichszahlung (Neuwert deiner jetzigen Ausrüstung) und weitere 5000 Euro. Welche Kamera und Objektive ständen auf deiner Einkaufsliste?

Als ziemliches Gewohnheitstier wäre das ein harter Schlag. Dürften meine Finger Canon nicht mehr berühren, dann würde ich auf Nikon umsteigen. Die 5000 Euro on top wären leider noch nicht mal annähernd ausreichend für eine Hasselblad. Sehr geliebte Objektive: Das 35er f1.4, ein altes Helios 58 mm f2.0 und ein 70-200 mm f2.8.

Die mediale Berichterstattung über „Deutschlands schlimmste Hochzeitsfotografin“ trägt unerwartete Früchte. 2 Wochen später hast du 500.000 neue Follower auf Instagram und mindestens 50.000 aktive Blogleser. Was würde sich für dich ändern (positiv wie negativ) und was würdest du von nun an anders machen?

Rein gar nichts wäre wohl die idealistische Antwort. Doch letztendlich hoffe ich, dass sich an meinen Idealen und den Dingen, die mir am Herzen liegen, nichts ändern wird. Falls doch, dann hoffe ich auf die besten Freunde, die einem mitteilen, dass man gerade ein Arsch wird.

Ein Hamburger Fotoladen gewährt dir für ein Autogramm noch einmal einen größeren Rabatt. Du wirst aber gebeten, deine neue Kamera und die Objektive persönlich vor Ort abzuholen. Als du den Fotoladen betrittst, wird dir plötzlich schwarz vor Augen und du wachst wenig später im UKE in Eppendorf wieder auf. Nach ausführlichen Tests wird bei dir eine lebensbedrohliche Hochzeits- und Pärchenallergie festgestellt. Eine Therapiemöglichkeit gibt es zum jetzigen Zeitpunkt nicht und dir wird dringend angeraten in Zukunft andere Dinge zu fotografieren oder die Kamera für immer beiseite zu legen. Wie verkraftest du diesen Schock und wohin führt dich in Zukunft dein Weg?

Ich würde entweder auf Landschafts- und Tierfotografie umsteigen oder, sollte die Allergie gegen die Kamera ungeahnte Ausmaße annehmen, Pferde ausbilden. (Einmal Pferdemädchen, immer Pferdemädchen. ) 

Canon 5D Mark III – Sigma 35 mm 1,4  | @foxografie

Vor der Bekanntgabe der Diagnose wollte der junge Assistenzarzt beim Anamnesegespräch von dir wissen, was das fehlende Puzzlestück für dich war, dass dich dazu bewogen hatte den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen und was du im Nachhinein anders gemacht hättest. Dieses war…

Ich erspare jedem an dieser Stelle die lange Geschichte um die zweimal studieren, das Sitzen in Büros und das Gefühl sich immer am falschen Ort zu befinden. Kurz gesagt war es tatsächlich mein Blog, der mich ganz langsam und Stück für Stück in die Selbstständigkeit geführt hat. Nicht, dass ich damals überhaupt mit dem Gedanken gespielt hätte – aber mit dem Blog hatte ich etwas, über das ich ganz und gar allein verfügen und entscheiden konnte. Etwas, das von mir kam. Und das fühlte sich ziemlich gut an. (Da zahlt man doch auch gerne die nächsten 344 Jahre sein Bafög ab, für ein Studium, in dem man nicht arbeitet.)

Auf dem Weg zurück nach Hause hörst du im Julia & Gil-Podcast von einer neuen Social-Media-Plattform, die alles besser machen will. Welche Punkte wären hier für dich besonders wichtig?

Ich bin der Meinung, dass es überhaupt nicht so sehr die Plattformen, bzw. Kanäle das Problem sind, sondern viel mehr die Benutzer. Ein Messer an sich ja auch erst mal nicht gefährlich – es kommt auf die Hände an, die es halten. Wenn man sich ansieht, welche Accounts zum Beispiel auf Instagram oft riesige Reichweiten haben, dann ist es eben auch genau das, was verdammt viele Menschen sehen wollen. Die Bild-Zeitung ist ja auch nicht umsonst die auflagenstärkste “Zeitung” in Deutschland.

Canon 5D Mark III – Sigma 35 mm 1,4  | @foxografie

Als du endlich nachhause kommst, fällst du todmüde in dein Bett. Am Wochenende warten glücklicherweise keine Termine oder Verpflichtungen auf dich. Wie verbringst du die beiden nächsten Tage?

Ich bin sehr gern alleine und nehme mir diese Zeit auch regelmäßig. Am liebsten verbringe ich menschenfreie Zeit mit Lesen (ich habe immer mindestens 2,3 Bücher, die ich lese), höre Hörspiele (Kindheitserinnerungen) und gehe sehr viel raus zum Spazieren, Fotografieren oder auch, um einfach zum Nichtstun. Jetzt auch immer in Begleitung meines Hundes Sarú.

DJI Mavic Pro | @foxografie

Sonntagabend wirst du von Instagram angeschrieben und gebeten, an einem sogenannten Glücksritter-Experiment teilzunehmen. Zuerst sollst du drei kleine, unbekannte Accounts aussuchen, die in deinen Augen großartigen Content produzieren. Anschließend musst du drei weitere, dieses Mal jedoch bekannte und nicht rein personenbezogene Accounts benennen. Instagram wird nun die Followerzahlen dieser Accounts miteinander tauschen. Wie glaubst du wird dieses Experiment ausgehen und wen hättest du ausgesucht?

Tatsächlich würde ich vermuten, dass sich nicht so viel ändern würde: Der Account mit der höheren Followerzahl hätte einfach mehr Likes und mehr Reichweite – nur, dass es jetzt umgekehrt wäre. Schneeballeffekt und so. Man findet einen Account mit großer Abonnentenzahl und denkt oft im erstem Moment automatisch “oh, das muss ja gut sein”. Wir sind eben Schafe.
Spontan fallen mir bei kleineren Accounts ein: Elisabeth Mochner (auch ein sehr lieber Mensch), Frederik Buyckx und Vincent Bourilhon.
Größere: Ben Sasso, Brooke Shaden und Froydis Geithus.
Ok, doch auch personenbezogen, aber ich hoffe, es zählt dennoch.

Monate später packst du deine Koffer und ziehst nach Berlin. Wie es dazu kam, soll hier nicht erläutern werden. Wovor hast du Angst, was wirst du vermissen und worauf freust du dich ganz besonders?

Ich liebe Berlin und freue mich auf eine Stadt, die für mich immer ein wenig wie ein Zoobesuch ist: Sehen und staunen. Da ich dort einige liebe Freunde habe, gäbe es also genug zum Freuen. Und nicht so überteuerte (zumindest im Vergleich zu hier) Altbauwohnungen.
Da ich nicht so sehr orts-, sondern eher freundebezogen bin, würde ich vor allem meine besten Freunde und meine Familie vermissen.

Canon 5D Mark III – Sigma 35 mm 1,4  | @foxografie

Als du gerade den letzten Umzugskarton in die Altbauwohnung im 4. Stock in Berlin-Mitte getragen hast, klingelt das Telefon. Es ist der junge Hamburger Assistenzarzt. Als Teil einer Studie darfst du nächste Woche eine bezahlte Fernreise mit deiner Kamera antreten. Du verpflichtest dich einzig und allein dazu jeden Tag eine Avocado zu essen, was laut ersten Tests deine Beschwerden deutlich lindern könnte. Wohin führt dich deine Reise und welche Reiseroute wählst du aus?

Haha, was für ein fabelhaftes Angebot. Dann wäre mein Wunsch Norwegen bis hoch zum Kap. Natürlich mit unserem Wohnmobil – und auf dem Rückweg über Schweden von oben nach unten zurück. Die Nordlichter rufen mich und ich freue mich unglaublich auf den Tag, an dem ich sie mit eigenen Augen sehen darf.