Der Wind katapultiert die Regentropfen seit Stunden gegen mein Fenster. Die Idee, meine Kamera von ihrer Staubschicht zu befreien und mich nach draußen zu wagen, erscheint so abwegig wie ein Leben von Bernhard Hoëcker außerhalb von deutschen Fernseh-Quizzshows. Anstatt mich mit einem Millenial-Avatar zu verbinden und Fortnite zu installieren, habe ich der Prokrastination entsagt und Marina Weishaupt als ersten Gast auf meine virtuelle Couch eingeladen:


Nachdem du im Sommer das Gepäckband des Flughafen Vágars erreichst, stellen sich dir plötzlich zwei faröische Zollbeamte in den Weg und fordern dich in einem Nebenraum auf, den kompletten Inhalt deines Fotorucksacks auf einem großen Schafsfell auszubreiten und zu erklären, wobei es sich bei den einzelnen Dingen handelt. Auf dem Durchschlag ihrer Liste ständen folgenden Dinge und Erläuterungen:  

Die Liste ist leider nicht sehr lang, was meinen Rücken aber immer wieder aufs Neue erfreut:

  • Da wäre zum einen meine liebe, frisch abbezahlte Canon 5d Mark III – obwohl noch nicht sehr alt, doch schon mit einigen Gebrauchsspuren.
  • Das alte Canon EF 50 mm F/1.4 USM mit einem Frontfokus, den ich nie habe reparieren lassen. Irgendwie kommt man ja damit zurecht und will es nicht missen.
  • Das Sigma 24mm 1,4 ART, welches mir meinen Horizont bezüglich der Landschaftsfotografie wortwörtlich erweitert hat.
  • Mein großes und leider auch sehr schweres Sigma 70-200 mm F2,8 EX, was ich aber um kein Geld der Welt mehr hergeben würde. Die lange Brennweite nutze ich mittlerweile sehr oft, um mit der Komposition zu spielen, und natürlich für Detailaufnahmen.
  • Wenn ich sie nicht vergesse einzupacken, habe ich eine uralte Agfa Point & Shoot-Kamera mit dabei. Sie war ein Geschenk meiner Oma.
  • Der letzte Punkt auf meiner Liste wäre die DJI Mavic Pro – mal schauen wie lange noch. Ich liebe das Fliegen und die mit ihr möglichen Perspektiven. Mit der Bildqualität bin ich jedoch nicht zufrieden und liebäugle deshalb schon mit dem Nachfolger.

Canon 5D Mark III – Sigma 70-200 mm F2,8 EX | @marinaweishaupt

Nehmen wir an, du würdest morgens am Eibsee von Zwillingen (die beide Marcel heißen) überfallen. Bevor sie sich wie Käfigluchse bei der Fütterung über deinen Kamerarucksack hermachen, könntest du im letzten Moment ein Objektiv retten und in deiner Manteltasche verschwinden lassen. Welches wäre dies und warum?

Am liebsten würde ich es da natürlich mit gutem Zureden versuchen, um alle drei zu retten. Aber gut, wenn es wirklich hart auf hart kommt, wäre das 70-200mm 2.8 von Sigma wohl meine Wahl. Es würde sich aufgrund des Gewichts wohl auch am ehesten als Verteidigung eignen, ganz davon abgesehen, dass ich es in letzter Zeit am häufigsten benutze. Ob es tatsächlich in die Manteltasche passt, lassen wir hier einfach mal außen vor.

Canon 5D Mark III – Sigma 70-200 mm F2,8 EX | @marinaweishaupt

Als die Medien von dem Überfall erfahren, starten die German Roamers eine große Spendenkampagne und du bekommst die Möglichkeit eine neue Kamera und ein neues Objektiv auszusuchen, welches dir dann feierlich im Heimplanet Store in Hamburg überreicht wird. Was befände sich in dem Karton neben dir im ICE auf dem Weg zurück nach Ulm?

Müsste ich mich für einen neuen Brennweitenbereich entscheiden, wäre es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen 24-70mm und 200-400mm. Mit etwas Vorsprung würde wahrscheinlich letzteres das Rennen machen, da ich bei 200 mm nicht selten an meine gestalterischen Grenzen stoße. Bezüglich der Kamerafrage habe ich mich mit anderen Modellen oder Herstellern bis dato kaum befasst. Ich bin mit den Funktionen, den Farben und der Haptik der Canon 5d Mark III wirklich sehr zufrieden. Das einzige Manko wäre das Gewicht und die Tatsache, dass die Mark II noch schönere Farben erzeugt. Könnte ich es mir aussuchen, wäre meine neue Kamera eine kompaktere Version der Canon 5D Mark III mit den Farben der alten Mark II. Bitte! Danke!

Canon 5D Mark III – Sigma 24mm 1,4 ART | @marinaweishaupt

Auf der Photokina 2019 wirst du vom Adobe-Team in einen VIP-Room eingeladen, wo eine Zeitmaschine aufgebaut ist. Man bietet dir die Möglichkeit für einen Tag in die Vergangenheit zu reisen und dich selbst zu treffen. Durch die Planetenkonstellation landest du in jener Woche, in der damals deine Ausbildung begonnen hat. Aufgrund der Tatsache, dass es sich um einen Prototyp handelt, solltest du am besten nur über fotografische Themen sprechen, da sonst die Gefahr bestünde im Körper von Benjamin Jaworskyj zurückzukehren. Anstatt über Bitcoins und Sportwetten zu sprechen, hättest du welche Ratschläge für dich selbst parat?

Ohh, das ist schwierig! Allein in den drei Jahren ist so viel passiert, was mich beeinflusst und verändert hat. Um beim Thema zu bleiben und die Nebenwirkungen auf gar keinen Fall zu riskieren, würde ich der Vergangenheits-Marina vermutlich als erstes raten, sofort auf Vollformat umzusteigen. Und am besten sollte sie sich auch so schnell wie möglich von diesem öden Laptop mit diesem ganz schlimmen, matten Display verabschieden. Und heiliger Bimbam: Finger weg von diesem übertriebenem Fade und den entsättigten Farben. Witzigerweise hab ich vor Jahren eine Nachricht bekommen, in der kritisiert und angemerkt wurde, dass meine Bilder zu meinen alten Flickr-Zeiten viel positiver und farbenfroher waren. Vielleicht war das ja Zukunfts-Marina. Die hatte definitiv recht.

Canon 5D Mark III – Sigma 70-200 mm F2,8 EX | @marinaweishaupt

Warum hast du dich für den beschwerlichen Weg hinter dem Auslöser entschieden, anstatt mit einem Fjällräven-Rucksack, einer Jacke von Canada Goose und einer Sackcloth & Ashes-Decke vor anderen Fotografen deinen Namen zu tanzen?

Auch ich hatte einmal – wie wahrscheinlich jeder (Anmerkung der Redaktion: Fake-News) – meine Selbstauslöser-Phase. Damals waren so viele Ideen in meinem Kopf, ich jedoch viel zu unsicher und schüchtern, um diese mit anderen umzusetzen. Doch selbst der Versuch in 10 Meter Abstand vor meiner eigenen Kamera zu posieren, bis der Timer endlich auslöste, schlug fehl. So beneidete ich lange Zeit die vielen Flickr-Fotografen/Fotografinnen, denen dies gelang.
Als mich mein Weg nach und nach zur Landschafts- und Reisefotografie führte und es zugleich immer mehr Menschen gab, die keine Angst hatten vor meiner Kamera zu stehen, war diese Phase dann schlagartig vorbei. Mein Interesse gilt seitdem jenen Dingen, die man nur beeinflussen kann, wenn den Platz hinter der Kamera einnimmt. Natürlich wechseln meine Freunde und ich uns heutzutage auch ab. Nicht immer hat der beste Kumpel die für das Bild passenden langen Haare.  Aber ich persönlich würde mir, simpel gesagt, einfach komisch vorkommen, wäre ich vor allem für meinen Rücken oder meinen Hinterkopf bekannt und nicht für meine Fotografie.

Canon 5D Mark III – Sigma 70-200 mm F2,8 EX | @marinaweishaupt

Würdest du im Sommer lieber mit Xavier Naidoo zwei Wochen im Zelt durch Island reisen oder in der gleichen Zeit mit Heidi Klum im Wohnmobil die Dolomiten erkunden?

So sehr ich Island auch liebe, mit dem Xavier würde ich mir das auf keinen Fall zumuten. Mit dem Wohnmobil könnte man diese Strapazen zumindest mit ein bisschen Luxus verbinden, bis Heidi “unglücklicherweise” mit ihrer Lichterkette über den Zaun am Karersee stolpert. Auf vier Rädern kann man sich nämlich viel schneller aus dem Staub machen, als zu Fuß mit schwerem Gepäck.

Canon 5D Mark III – Canon EF 70-200 mm/4,0 | @marinaweishaupt

Welche fotografischen Ziele hast du dir für dieses Jahr gesteckt und an welchen bist du 2018 gescheitert?

In Zeiten, in denen sich Bilder bekannter Orte immer mehr gleichen, erscheint es für mich interessanter, gerade diese Orte aus möglichst „neuen“ Blickwinkeln zu sehen – soweit dies eben möglich ist. Außerdem möchte ich mich in Zukunft mehr auf Serien konzentrieren. Anstatt ein gutes Foto in einem schönen Moment aufzunehmen, lieber darauf zu achten, diese Qualität für eine ganze Serie beizubehalten. Ich denke, das ist etwas, woran ich letztes Jahr teilweise gescheitert bin. Aber man lernt ja nie aus!

Canon 5D Mark III – Sigma 70-200 mm F2,8 EX | @marinaweishaupt

Was unterscheidet Behance von Instagram und wie wichtig ist dir dein eigener Blog?

An Behance musste ich mich anfangs erst gewöhnen. Auf Instagram wird man ständig mit mehr oder weniger neuem und irgendwie auch immer gleichem Content berieselt  – dem Algorithmus sei Dank. Diesen gibt es auf Behance zum Glück nicht und die kuratierten Galerien zeigen eine wirkliche gute Qualität. Insgesamt ist diese Plattform also ganz anders und  macht mir persönlich gerade deshalb viel mehr Spaß. Der Anspruch ist einfach ein ganz anderer. Ich bin auch sehr froh darüber, wieder einen Ort gefunden zu haben, der es mir ermöglicht Bildstrecken mit unterschiedlichen Layouts zu präsentieren. Früher habe ich das vor allem auf meinem Blog gemacht, und wusste hier schon immer die konstruktiven Kommentare zu schätzen. Hilfreiche Kritik gibt es ja heutzutage so gut wie gar nicht mehr (ohne dass man sich gleich angegriffen fühlt). Als Instagram im Laufe der Zeit für mich immer größer und wichtiger wurde, nahm die Zahl meiner Blogposts beständig ab, was im Nachhinein wirklich schade ist. Vielleicht taste ich mich über meine neue Website wieder an dieses Thema heran. Die Motivation ist definitiv vorhanden.

Canon 5D Mark III – Sigma 24mm 1,4 ART | @marinaweishaupt

Gerade erhältst du eine E-Mail von Heiko Hebig, dem Partnerships Manager Nordeuropa bei Instagram. Instagram hat endlich einen Filter fertiggestellt, mit dem sich bestimmte Motive nicht mehr hochladen lassen und will von dir nun fünf Bildklischees aus dem Landschaftsbereich wissen, die auf diesem Insta-Index landen sollen.

Ohman, ich wünschte, sowas gäbe es wirklich. Dies würde vielen mit Sicherheit erstmal den Boden unter den Füßen wegreißen, im Großen und Ganzen allen aber auch ganz gut tun.

  • Bilder, die durch einen Eingriff in die Natur oder Tierwelt entstanden sind (z.B. Missachtung von Absperrungen oder Tierquälerei) und dies ausgerechnet von Leuten, die sich selbst auf die Fahne schreiben die Welt zu retten.
  • Herbstblätter, die vor die Linse geworfen werden, um das langweilige Motiv scheinbar interessanter zu machen. Laub hilft da “herbstlich” wenig und wirkt auf mich irgendwie so…verzweifelt.
  • Lagerfeuer. Die sehen meist nicht nur lächerlich klein, sondern auch absolut nicht authentisch aus. An einigen Orten sind sie zudem noch schädlich für das Ökosystem.
  • Lichterketten – dazu muss ich nichts mehr sagen, oder?
  • Frontal-Portraits von Tieren aller Art. Nicht, dass ich das nie selbst gemacht hätte. Aber mittlerweile gilt ein Bild ja schon als gut, wenn ein Tier in die Kamera blickt (ganz egal wie gelangweilt, ängstlich oder zornig es dreinschaut).
  • Aquamarin, wo definitiv kein Aquamarin hingehört. Oder allgemein drollige Farbkombinationen, die künstlich aussehen. Auch wenn Farben immer noch Geschmacksache sind, ergibt manches für mich einfach keinen Sinn.

Canon 5D Mark III – Sigma 70-200 mm F2,8 EX | @marinaweishaupt

Kurz darauf klingelt dein Telefon und die Agentur Elbkind bietet dir an mit 3 Fotografen/Fotografinnen deiner Wahl in ein für dich komplett unbekanntes Land zu reisen. Hier dürft ihr im Auftrag von Mercedes 4 Wochen unterwegs sein – und Geld spielt absolut keine Rolle. Der einzige Wermutstropfen: Die Auserwählten dürfen dich nicht kennen. Wohin geht die Reise und wer begleitet dich?

Ganz spontan würde es mich nach Russland ziehen, auch weil die mediale Scheinwelt hier noch keinen großen Einfluss auf mich hatte. Dies alles natürlich nur unter der Voraussetzung, dass Geld absolut keine Rolle spielt und auch die Planung und Organisation der Reise nicht in meinen Schoß fallen. Ich kann nämlich überhaupt kein Russisch, auch wenn ich schon oft für eine Russin gehalten wurde. Alternativ wäre ein Roadtrip durch Chile sehr spannend – und zwar einmal von Norden gen Süden. Mitnehmen auf eine dieser Reisen würde ich Emelie Ristevski, Dan Tom und Cody Cobb, da ich die Ästhetik und die Blickwinkel von den dreien sehr schätze – auch und vielleicht genau weil sie sich stark voneinander unterscheiden. Von ihnen könnte ich sicherlich jede Menge lernen.